L-Leucin soll den Muskelaufbau insbesondere im Alter unterstützen, der Markt bietet passende Nahrungsergänzungsmittel mit Leucin an. Was bringt eine Nahrungsergänzung mit Leucin bei altersbedingtem Muskelabbau?
Was steckt hinter der Werbung zu Leucin?
Leucin wird beworben zur Stimulation des Muskelaufbaus und gegen Muskelabbau im Alter. L-Leucin ist die am häufigsten vorkommende Aminosäure im Körper. Daher spielt der Leucingehalt in einem Protein eine zentrale Rolle für eine anabole Stimulation der Muskelzellen, sprich für Muskelaufbau bzw. –wachstum. Zahlreiche Studien zum Nutzen von Leucin und anderen verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA) als Nahrungsergänzungsmittel wurden bereits durchgeführt.
Die den Muskelaufbau unterstützende Funktion könnte speziell für ältere Menschen interessant sein, die von Sarkopenie betroffen sind. Sarkopenie beschreibt den altersbedingten Abbau von Skelettmuskelmasse, welcher mit einem Kraftverlust einhergeht und damit auch die Sturzanfälligkeit erhöht. Von Sarkopenie betroffen sind ca. 5 bis 13 Prozent bei 60- bis 70-Jährigen, bei den 71-80–Jährigen sind schon bis zu 50 Prozent betroffen. Die Hauptursache dafür ist jedoch der Rückgang von körperlicher Aktivität insbesondere von Krafttraining (Widerstands-Muskeltraining). Außerdem reagieren im Alter die Muskelzellen nicht mehr so stark auf die Zufuhr von Nahrungsprotein und den darin enthaltenen Aminosäuren.
Daher wird empfohlen, ab dem 65. Lebensjahr etwa 25 Prozent mehr Eiweiß aufzunehmen. Studien weisen darauf hin, dass Supplemente mit BCAAs unterstützen. Dabei scheint eine erhöhte Proteinzufuhr mit gleichzeitig erhöhtem Leucingehalt zumindest kurzfristig die beschriebene Resistenz gegenüber Muskelaufbaureizen abzuschwächen. Somit könnte Leucin auch eingesetzt werden, um Muskelschwund und Funktionseinbußen im Alter entgegenzusteuern. Besonders effektiv scheint dabei eine Ernährung mit qualitativ hochwertigem, leucinreichem Protein in Kombination mit Krafttraining zu sein.
Die Beweise für eine Nahrungsergänzung mit Leucin sind jedoch gemischt. Eine aktuelle Überprüfung von 17 randomisierten Kontrollstudien ergab beispielsweise keine Verbesserungen der Muskelmasse und Kraft bei älteren Erwachsenen, die ein isoliertes Leucinpräparat ohne Krafttraining einnahmen. Die meisten bisherigen Studien waren kurzfristig und berichteten über Verbesserungen der Muskelproteinsynthese, jedoch nicht unbedingt der Muskelmasse. Um den Zusammenhang zwischen supplementierten Leucin und Muskelwachstum zu bestätigen, sind Langzeitstudien am Menschen erforderlich.
Obwohl eine Nahrungsergänzung mit Aminosäuren, insbesondere mit Leucin, einen vielversprechenden Ansatz in der Therapie der Sarkopenie darstellt, gibt es jedoch keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen, sogenannte Health Claims, speziell für Leucin. Solche gibt es nur für Protein allgemein. Erlaubt sind beispielsweise "Proteine tragen zur Erhaltung von Muskelmasse bei" sowie "Proteine tragen zur Zunahme an Muskelmasse bei". Dafür muss das jeweilige Lebensmittel einen Proteingehalt von mindestens 12 Prozent aufweisen bezogen auf den Kaloriengehalt. Dann gilt es als Proteinquelle.
Hinzu kommt, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht für die Therapie von Erkrankungen gedacht sind. Hier kämen dann eher Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zum Diätmanagement von Sarkopenie in Frage. Mehr zur Abgrenzung der Lebensmittelgruppen finden Sie im Beitrag Unterschiede zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und anderen Produktgruppen.
Worauf sollte ich bei der Einnahme von L-leucinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln achten?
- Es gibt derzeit keine Zufuhrempfehlungen für isoliertes L-Leucin.
- Der Orientierungswert für die maximale Tageszufuhr über L-leucinhaltige Nahrungsergänzungsmittel beträgt 4,0 Gramm pro Tag. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät, BCAAs nicht einzeln, sondern kombiniert aufzunehmen, wie über eine Mahlzeit üblich. Zur Orientierung nennt es eine Tageshöchstmenge von 8,2 Gramm BCAAs als Nahrungsergänzungsmittel.
- Eine Überdosierung durch ein L-leucinhaltiges Nahrungsergänzungsmittel sollte vermieden werden, da es für eine höhere Aufnahme von isolierten BCAAs Hinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken wie erhöhte Blutspiegel des Zellgifts Ammoniak gibt.
- Die regelmäßige Zufuhrmenge von Leucin aus allen Quellen (also Lebensmitteln plus Getränke, angereicherte Lebensmittel sowie Nahrungsergänzungsmittel) sollte aus Sicherheitsgründen bei älteren Erwachsenen keinesfalls mehr als 30 Gramm pro Tag betragen. Dieser mögliche sogenannte Tolerable Upper Intake Level wurde in einer aktuellen Sicherheitsbewertung aus Kanada vorgeschlagen. Eine dauerhaft über diesem Wert liegende Leucinzufuhr erhöht das Risiko für unerwünschte gesundheitliche Wirkungen.
- Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion und Menschen, die eine proteinreduzierte Diät einhalten, sollten vor einer Supplementierung das ärztliche Gespräch suchen.
- Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche sollten wegen der unzureichenden Datenlage sicherheitshalber gar keine verzweigtkettigen Aminosäuren als Nahrungsergänzung nehmen.
Kann ich meinen Tagesbedarf über die Nahrung decken?
Natürlicherweise ist L-Leucin vor allem in Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch, Milchprodukten, Eier, Hülsenfrüchte und Nüssen enthalten. Der für Erwachsene von der DGE empfohlene Tagesbedarf an L-Leucin von 39 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht wird normalerweise über die Nahrungsproteine sichergestellt, wichtig ist die ausreichende und bedarfsdeckende Proteinzufuhr. Neuere Studien deuten jedoch darauf hin, dass ältere Erwachsene möglicherweise das Doppelte der aktuellen Leucin-Empfehlungen benötigen.
Bei Älteren (ab 65 Jahre) sollte die Proteinzufuhr auch insgesamt höher sein als bei Jüngeren: 1,0-1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Etwa die Hälfte der Senioren erreicht die empfohlene Zufuhr für die Allgemeinbevölkerung jedoch nicht. Der Leucingehalt in der Gesamtproteinmenge beeinflusst den Muskelaufbau, selbst wenn die Proteinzufuhr identisch ist. Daher wird empfohlen, die Leucinzufuhr entsprechend anzupassen, wie bereits zuvor beschrieben.